Gefahrenhinweis: Dieser Blogpost ist lang. Sehr lang. Aber Ihr wollt Ihn lesen. Unbedingt. Vertraut mir. Deshalb nehmt Euch lieber direkt etwas mehr Zeit oder merkt Ihn Euch für später vor.
Ich weiß, was Ihr diesen Sommer tun wollt. Ihr wollt Canyoning auf Korsika ausprobieren. Wollt Ihr nicht? Unter gar keinen Umständen? Das dachte ich auch. Bis ich es gemacht habe.
Ihr müsst eins wissen: Ich bin kein Typ, der auf Risiko geht. Also so gar nicht. Man kann vermutlich sogar sagen, dass ich ein Schisser bin. Ein großer, um genau zu sein. Wenn andere mir erzählen, dass sie Fallschirmspringen oder Free Climbing betreiben, schwanke ich zwischen Bewunderung und ungläubigem Entsetzen. Mich ängstigt schon die Vorstellung eines Heißluftballonflugs. Ach, was sage ich: Mir macht selbst Fahrrad fahren Angst, wenn der Berg zu steil ist. Und steil ist durchaus Auslegungssache. Ich habe Angst vor Wasser, Geschwindigkeit, Höhe, habe kein Vertrauen in Dinge, die ich nicht unter Kontrolle habe (oder glaube, nicht unter Kontrolle zu haben), und sehe mich permanent schon mit einem Fuß im Grab.
Nun ergab sich vergangenen Sommer die Möglichkeit, für einige Tage im Rahmen einer Pressereise nach Korsika zu reisen. Was ich ziemlich cool fand. Und wenn ich etwas ziemlich cool finde, bin ich bereit, Kompromisse zu machen. Zumindest bis zu einem gewissen Grad. Und das Programm dieser Pressereise forderte mir einige Kompromisse ab: eine Fahrt mit der Fähre (denn ich habe nicht nur Angst vor Wasser, seekrank bin ich auch noch), der Besuch einer Ziegenkäserei (dieser Geruch!!) und (und nun kommen wir zum Kern dieser Geschichte) Canyoning.
Jetzt wollte ich aber wirklich sehr, sehr gerne nach Korsika. So gerne, dass ich mir dachte: „Naja, Kotzen hat noch keinen umgebracht, die Nase kann man zuhalten oder im Notfall auch zutackern und so ein bisschen Schlauchbootfahren werde ich wohl auch überleben. Irgendwie.“ Nachdem ich das mantraartig ungefähr fünfzigmal wiederholt hatte, glaubte ich es irgendwann selbst und sagte zu. Abends erzählte ich dem Freund davon und wiederholte eben diese mittlerweile schon in Fleisch und Blut übergegangene Überzeugung (nicht ohne einen Anflug von Stolz ob meiner Courage) und das Erste, was er sagte, war: „Ähm, sorry, aber das, was du meinst, ist Rafting. Canyoning ist noch ein bisschen schlimmer. Da gibt es kein Boot. Aber dafür gibt es Wasserfälle. Und da springt man runter.“ Dass ich nicht stehenden Fußes ohnmächtig wurde, ist auch alles.
Ich konsultierte das Internet. Was man eben so macht. Und stellte zu meinem Entsetzen fest, dass er Recht hat. Ich dachte kurzzeitig darüber nach, unter einem windigen Vorwand wieder abzusagen. Was ich dann nicht tat. Weil: Korsika. Und peinlich. Außerdem durfte nur ein Blogger überhaupt mit. Das war ich. Und: Korsika. Ich machte also, was man in solchen Situationen tut: Ich verdrängte meine Angst. Und redete mir ein, dass man mit einer Horde unvorbereiteter Journalisten ja wohl kaum eine gefährliche oder besonders anspruchsvolle Tour planen würde. Wir würden ein bisschen planschen und rutschen. Ganz easy. Das funktionierte relativ gut. Verdrängung ist eine Spitzentaktik. Bis einige Tage vor der Reise das endgültige Programm bei mir eintrudelte.
In diesem Programm stand der genaue Ort unserer Canyoning-Tour. Ich googelte diesen Ort und ich stieß auf ein Video. Ich schaute dieses Video an. Immer wieder. Und bekam Panik. Ich saß vor meinem Rechner, kicherte hysterisch und flüsterte eins ums andere Mal: „Oh, mein Gott. Was habe ich bloß getan? Ich werde sterben…!“
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Ich begann, jedem, den ich traf, davon zu erzählen. Ich zeigte den Menschen dieses Video. Und es gab exakt drei Reaktionen darauf. Nummer Eins traf auf circa 2% der Befragten zu und ging mit euphorischem Grinsen einher: „Geil, sowas wollte ich immer schon mal machen. Hast du ein Glück!“ Nummer Zwei hingegen wurde begleitet von ungläubigem Entsetzen: „Scheiße! Wie furchtbar. Das würde ich niiiiiiemals tun. Niemals nie!“ Überflüssig zu erwähnen, dass ungefähr 97% der Reaktionen auf Punkt Nummer Zwei entfielen. Nummer Drei kam von meinen Eltern: „Fee, denk an deine Gesundheit. Das kannst du nicht machen. Denk an das Schleudertrauma, dass du aus Dubai mitgebracht hast. Denk an deinen Herd im Nacken. Das ist einfach nichts für dich. Sei vernünftig. Das werden sicher alle verstehen.“ Ich selbst schwankte irgendwo zwischen Zwei und Drei. Zwischen der Angst abzusagen und den Veranstalter zu enttäuschen und der Angst vor der Angst.
Und dann kam der Tag X. Alle meine Mitreisenden waren älter als ich. Teilweise deutlich. Körperlich waren alle Formen und Fitnessgrade vertreten. Viele von Ihnen hatten sich überhaupt nicht damit beschäftigt, was uns bevorstand. Unfassbar, aber wahr. Manche zeigten zwar minimale Zeichen von Aufregung, als sie erfuhren, was wir tun würden, aber mit meiner hibbeligen Nägelkauerei war ich allein. Alle waren zuversichtlich, dass wir das schon packen würden. Und ich dachte: „Scheiße, wenn die das machen, kann ich jetzt nicht kneifen.“ Und dann erwachte mein Kriegsreporter-Gen. Schließlich ergeben die größten Herausforderungen die besten Geschichten. Also stürzte ich mich kopfüber ins Abenteuer. Wortwörtlich.
Aber von vorn: Es gibt zehn Canyoning-Anbieter und 150 Canyons auf Korsika. Wir sind an diesem Tag im September mit dem größten Betreiber unterwegs, Corsica Forest Canyoning, und zwar im Pulischellu-Canyon im Bavella-Massiv, ein Gebirgspass, der sich im südlichen Teil der Insel befindet. In der Hauptsaison sind 10 Guides mit jeweils bis zu 12 Leuten Gruppenstärke für das Team unterwegs. Wir treffen uns beim Stützpunkt des Unternehmens, 10 km entfernt von Solenzara im Landesinnern, wo sich auch ein Campingplatz für alle Canyoning-Verrückten befindet, die von hier zu ihren Touren aufbrechen können: „U Ponte Grossu“. Wir sind noch nicht angekommen, da versagt schon mein mobiler Internetempfang. Jetzt kann ich mich nicht mal mehr von meinen Lieben verabschieden, für den Fall, dass dies mein letztes Blogabenteuer sein sollte. Es läuft. Die massive Adrenalinausschüttung in meinem Körper verhindert allerdings, dass ich mich länger als zwei Minuten intensiver mit diesem Problem auseinandersetze. Mein Hirn schaltet einfach ab.
Die Tour, die wir planen, ist die einfachste, die angeboten wird. Bereits Kinder ab sieben Jahren können hier dabei sein. Bis zu 3h dauert so eine Tour, je nach Geschwindigkeit und Größe der Truppe. So weit, so gut. Schwimmen muss man natürlich können, ansonsten reiche ein Mindestmaß an Kondition und Durchhaltevermögen aus, erzählt man uns, das würden wir locker packen. Nun ja, die kennen mich noch nicht. Alles, was man braucht, um teilnehmen zu können, sind Badekleidung und festes Schuhwerk mit Profil, das nass werden kann. Letzteres (extra fürs Canyoning) kann man sich je nach Verfügbarkeit auch vor Ort leihen, eine Möglichkeit, auf die wir dankbar zurückgreifen.
Im Normalfall ist 36 die kleinste angebotene Schuhgröße, aber die ist gerade aus. Meine Größe-35-Füße schwimmen in den Größe-37-Exemplaren wie Goldfische in einem Canyon, daher bekomme ich zusätzlich noch ein paar Neoprensocken zum Ausstopfen. Zu meinem rot-weiß geblümten Badeanzug ist das mehr als sexy. Nicht. Lange werde ich aber ohnehin nicht so unterwegs sein, denn am Canyon angekommen, schlüpft jeder noch in einen Neoprenanzug, einen Helm und ein windelartiges Klettergeschirr. Schöner wird es also nur bedingt. Das sollte man sich also besser gleich abschminken.
Aber erst mal müssen wir dorthin kommen. Mit dem Auto geht es noch ein ganzes Stück in die Berge, bis wir auf einem Parkplatz am Rande der Gebirgsstraße zum Stehen kommen. Raus aus den Klamotten, rein in die klammen Socken und Schuhe und die Schürze umgelegt. Der Anzug darf erst noch eine Zeit auf den Schultern ruhend wohnen, denn bevor es losgeht, steht eine Wanderung auf dem Programm. 20 Minuten sind dafür angesetzt und wir sind noch keine fünf Minuten davon unterwegs, da pfeife ich schon aus dem letzten Loch. Die Strecke, die es zu bewältigen gilt, in Kombination mit der Geschwindigkeit, die unser Guide vorlegt, und dem Gewicht eines nassen Neoprenanzugs im Nacken bringen mein Mindestmaß an Kondition und Durchhaltevermögen schon zu Beginn an ihre Grenzen. Aber gut. Ich bleibe dran. Und schaffe es sogar, nicht schon vor Angst in Ohnmacht zu fallen, als wir uns das erste Mal einhaken und anseilen müssen, noch bevor wir am Canyon angekommen sind. Denn um den Startplatz der Tour zu erreichen, muss man ein Stück weit am Felsen entlangklettern und sich von Stein zu Stein zu Stein hangeln – während es hinter einem viele, viele Meter steil in die Tiefe geht.
Und kaum hat man das erfolgreich hinter sich gebracht, steht man auch so gut wie mit beiden Füßen im Wasser. Das Abenteuer kann losgehen. Allerdings erst, wenn man sich in den Neoprenanzug gequetscht hat. Persönlich könnte ich darauf gut verzichten, nicht nur, weil ich mich dafür erst wieder aus Schuhen, Socken und Klettergeschirr schälen muss und das auf einem riesigen, rutschigen Stein. Nein, das hautenge Ding ist, wie gesagt, auch noch feucht vom Vorgänger (bäh!) und überhaupt will es einfach nicht dorthin, wo es hin soll. Auf halber Oberschenkelhöhe bleibe ich hängen und verbringe die nächste Minute damit, rumpelstilzchenlike auf dem Stein zu hüpfen, immer in Sorge, gleich schon im kalten Wasser zu liegen. Aber irgendwann bin ich drin und werde von Adrian, unserem Guide, mit einem „très jolie“ für die Mühen belohnt. Das würde ich ihm allerdings am liebsten um die Ohren pfeffern, denn ich habe mich selten weniger „jolie“ gefühlt als in diesem Moment. Aber es hilft ja alles nix. Nackig ist auch keine Lösung. Zumindest beim Canyoning. Langsam rutsche ich vom Stein ins kühle Nass und bin sofort sehr dankbar für das unvorteilhafte Ding. Gebirgsbach bleibt eben Gebirgsbach. Auch im September auf Korsika.
Wir starten mit einer Einführung inklusive Sicherheitsanweisungen: Haltet den Körper gerade, aber streckt die Knie nicht durch. Verschränkt die Arme vor dem Körper wie ein Pharao und vor allem: Denkt an die Körperspannung. Spannt die Bauchmuskeln an. Und wenn Ihr da keine habt, dann die im Po. Und wenn da auch keine sind: Dann irgendwelche. Hauptsache Spannung. Ich bin beruhigt, denn wenn ich gerade eins draufhabe, dann das: Meine Kiefermuskeln zumindest sind zum Zerspringen gespannt. „Los geht’s“, sagt Adrian, „wer will zuerst?“ Von wollen kann zwar nur so bedingt die Rede sein, aber jetzt gibt es kein Zurück mehr. Gut, dass man die Strecke von oben immer nur so bedingt einsehen kann, denn wüsste ich, was mir nun bevor steht, ich würde kneifen. So jedoch melde ich mich freiwillig als Zweite. Frei nach dem Motto: Wenn ich früher rutsche, bin ich schneller unten.
Breitbeinig steht Adrian an der Kante. Mein Job: Mich auf den Rücken dazwischen legen, an die Spannungs- und die Pharaonenregel denken und überleben. Denn was er tun wird, ist Folgendes: Er wird mich an meinem Gurt greifen und mich mit Schmackes den Wasserfall runterschleudern. Und noch während ich mir dessen bewusst werde, bin ich auch schon unterwegs. Ich fliege und fliege und fliege. Und halte dabei vor lauter Spannung die Luft an. Was sich als nur so semioptimal herausstellt, denn als ich im Wasser lande, ist keine Luft mehr übrig. Und ich tauche tief, 3,50m tief, um genau zu sein, denn ich bin gerade acht Meter vom Himmel gefallen. Ich bekomme Panik. Man erinnere sich: Wasser und ich sind keine Freunde. Und ich habe nur Seepferdchen. Am Bronze-Abzeichen bin ich gescheitert und zwar wegen des Tauchens. Mein Problem: Ich hatte immer Angst zu ertrinken. Wäre ich noch in der Lage zu denken, mir würde nun wohl sowas wie „Du bist bescheuert. Was tust du hier bloß?“ durch den Kopf schießen. So aber beschränke ich mich darauf hektisch mit den Armen zu wedeln und sehr, sehr viel Wasser zu schlucken.
Jedoch: Als ich wieder an die Oberfläche komme (und nachdem ich mich durch minutenlanges Husten zumindest wieder von der Hälfte des Wassers befreit habe) fühle ich auf einmal so etwas wie Stolz. Ach, was sage ich? Stolz reicht überhaupt nicht aus, um in Worte zu fassen, was ich auf einmal spüre. Ich bin Superman. Ich bin unkaputtbar. Man reiche mir den nächsten Wasserfall. – hier kommt Fee, die Bezwingerin der Naturgewalten. Ihr merkt: Nicht nur ich betreibe hier gerade Extremsport, auch die Moleküle in meinem Körper machen Canyoning. Adrenalin und Endorphine tanzen Tango. Es geht rund. Und die nächste Runde steht bereits bevor. Wer will noch mal, wer hat noch nicht?
Die zweite Aufgabe lautet: Rückwärts rutschen. Hier geht es um Vertrauen in den Guide, erzählt uns Adrian. Außerdem taucht man nicht so tief ins Wasser ein, wenn man rückwärts unterwegs ist, was vor allem dann relevant ist, wenn der Grund deutlich näher ist, als an anderen Stellen. Zum Glück ist auch die Entfernung zum Wasser an dieser Stelle deutlich kürzer. Man könnte auch sagen: Sie beträgt einen lächerlichen Meter. Trotzdem: Wenn man da so rückwärts liegt, über einem ein riesiger Felstrümmer, dann kommt einem das durchaus sehr herausfordernd vor. Wirklich wahr. Wenn Ihr Euch das jetzt im Video anschaut, werdet Ihr vermutlich lachen. Aber macht das mal selbst. Dann lacht Ihr vielleicht auch, aber erst, wenn Ihr es geschafft habt. Und nach dem neuerlichen Hustanfall. Gerne hätte ich Euch noch mehr in bewegten Bildern von unserem Trip gezeigt, aber ich war auf Fremdcontent angewiesen. Den es leider nur von den einfachsten Stellen gibt. Aber sei es drum. Besser als nichts. Und oben habt Ihr ja schon mehr von der Strecke gesehen.
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Langsam beginne ich, mich zu entspannen (auch wenn es auf den meisten Fotos nicht danach aussieht). Ich schaffe es sogar, dem Fotografen, der abseits der Strecke wie eine Gämse von Stein zu Stein hüpft, als wäre es nix, ab und zu eine Art Lächeln zu schenken. Ein sehr haarverhangendes (ein Zopf wäre irgendwie eine gute Idee gewesen) und prustendes Lächeln (mit dem Charme einer Bulldogge), aber immerhin: Ein Lächeln. Ich beginne, meine Umgebung deutlicher wahrzunehmen. Das Wasser ist unfassbar klar. Man sieht überall den von kleineren und größeren Steinen bedeckten Grund. Perfekt für Menschen wie mich, denen Wasser an sich nicht besonders geheuer ist. Um mich herum summen fette Hummeln und überhaupt: Die Umgebung ist ein Traum. Und ohne so eine Tour hätte man kaum keine Chance, sie zu Gesicht zu bekommen.
Alle 15-20 Meter treffen wir nun auf neue Hindernisse und das auf einer Strecke von circa 700 Metern. Ein erfahrener Canyoning-Experte braucht ungefähr eine Stunde für 1,5 Kilometer. Als Anfänger werden wir am Ende 2-2,5 Stunden unterwegs gewesen sein. Wir rutschen, wir klettern, wir schwimmen, wir springen und wir tauchen. Zumindest, wenn wir wollen. Denn auch wenn man nicht zurück kann, wenn man einmal beschlossen hat, an der Tour teilzunehmen, kann man doch einige Hindernisse umgehen, auslassen oder durch einfachere Elemente ersetzen.
Beim Tieftauchen beispielsweise bin ich raus. Die Aufgabe lautet: Sich zwischen zwei großen Felsen in einen echt schmalen Spalt hinunterlassen, sich mit den Armen daran entlang immer weiter in die Tiefe hinabzustoßen, bis in circa zwei Metern Tiefe plötzlich Licht zu sehen ist, dann ab nach vorne, unter dem Fels hindurch und auf der anderen Seite wieder raus. Mein neu gewonnenes Superhelden-Gen lässt mich einen Moment übermütig werden: „Klar, ich probiere das aus“ Zumindest denke ich das für circa fünf Sekunden. Aber der Spalt ist echt eng, selbst für kleine Menschen wie mich und ich bekomme schon Panik, da bin ich noch keinen halben Meter tief und so tauche ich prustend wieder auf. Aber keine Schande, dieser Programmpunkt ist absolut kein Muss.
Richtig Spaß wiederum habe ich beim angeseilten Gruppenrutschen. Zwar wird mir der Zahn schnell gezogen, dass ich als Kleinste und Leichteste nach oben darf, stattdessen rutsche ich vorweg (wieso auch immer, um das zu verstehen, reicht mein Französisch nicht aus), aber es ist im Prinzip auch völlig schnuppe. Gesichert sind wir an dieser Stelle im Übrigen, weil das Gewässer zu dieser Jahreszeit nicht so viel Wasser führt und niemand ein Risiko eingehen möchte. So kann uns Adrian etwas bremsen und wir tauchen nicht so tief ein.
Herausfordernd sind dagegen noch mal die Sprünge. Zwischen drei und zwölf Metern sind die Felsen hoch. Welche auf dem Programm stehen, entscheidet der Guide je nach Fitness und Motivation der Gruppe, denn man muss gezielt springen, um sicher zu landen. Fünf Meter ist das höchste der Gefühle, was wir Frauen uns trauen. „Ihr müsst Anlauf nehmen und Euch weit vom Felsen abstoßen“, erklärt uns Adrian, „da hinten ist das Wasser am tiefsten.“ Das erfordert noch mal einen ganz anderen Willen, als das Rutschen. Hier machen daher einige auch einen Rückzieher, aber ich traue mich und springe im hohen Bogen (und mit selten dämlichem Gesichtsausdruck) hinunter. Und noch während ich mich selbst dafür feiere, kommt der nächste der Truppe hinterher gesprungen. Kopfüber und mit weit ausgebreiteten Armen. Wie der Typ in der Davidoff-Werbung in den 90ern. Und schon fühle ich mich nicht mehr ganz so cool, wie im Moment zuvor ;)!
Nach der Hälfte der Strecke merke ich langsam, wie das Programm mich fordert. Mir wird kalt und ich fange an leicht zu zittern, auch wenn ich immer noch riesig viel Spaß habe. Den Sieben-Meter-Sprung, den die Herren der Schöpfung absolvieren, klemme ich mir daher. Dafür bin ich mittlerweile zu zittrig auf den Beinen. Die drei Meter schaffe ich aber gerade noch. Eine mitreisende Journalistin hingegen steht oben auf dem Fels und auch wenn sie ebenfalls schon die fünf Meter hinter sich hat, jetzt verlässt sie auf einmal der Mut. Aber bevor sie sich versieht, nimmt Adrian sie wie eine Braut mit Schwung auf seine Arme und springt mit ihr gemeinsam in die Tiefe. Absolut filmreif.
Eins steht fest: Nach dieser Tour ist aus unserer kleinen Reisegruppe eine eingeschworene Truppe geworden. Fürs Teambilding ist Canyoning eine 1A-Maßnahme. Wir lachen, wir scherzen, wir gehen miteinander um, als würden wir uns seit Jahren kennen. Immerhin haben wir uns schon gegenseitig auf dem Schoß gehockt und sind zusammen in die Tiefe gestürzt. Alle strahlen sich an und platzen vor Stolz: Wir sind völlig k.o., aber wir haben es geschafft. Und wir würden es immer wieder tun. Gemeinsam sind wir stark. Und runter kommen sie alle. Zumindest irgendwie.
Und die Moral vor der Geschicht‘: Ängstige dich vor deinen Ängsten nicht. Oder vielleicht doch, denn Ängste haben ja durchaus auch ihren Sinn. Aber gehe trotzdem mal über deine Grenzen hinaus und sei es nur, um einen Blogpost darüber zu schreiben oder später deinen Enkeln davon zu erzählen. Denn es lohnt sich: Die Canyoning-Erfahrung ist mir definitiv als Highlight des gesamten Korsika-Trips in Erinnerung geblieben. Und das mag etwas heißen.
Vielen Dank für die Einladung an Atout France, den korsischen Tourismusverband und Corsica Forest Canyoning. Im Normallfall kostet so eine Tour 45€ plus Leihgebühr für die Schuhe. Und für einen Fotografen, so man denn einen haben möchte, zahlt man auch noch mal extra. Wir haben ihn privat engagiert, damit wir Euch was zeigen können. Ein Großteil der Bilder, die ihr oben sehen könnt, gehen daher auf das Konto von Bastien Nastorg. Vielen Dank, dass ich sie hier zeigen darf.
Liebe Fee, das hört sich ja genial an! Ich muss gestehen, dass ich ebenfalls eine ziemliche Schisserin bin und deshalb noch nie daran gedacht hätte, Canyoning einmal auszuprobieren. Du hast es mir jetzt aber ziemlich schmackhaft gemacht 🙂 Liebe Grüße!
Wenn das das Ergebnis meiner Ansprache ist, dass lauter Schisser demnächst die Canyoning-Anbieter fluten, hätte ich mich für den Post vielleicht bezahlen lassen sollen :D!
Das sieht echt super aus.
Von deinen Beschreibungen her würde ich sagen, dass ich ein klitzekleines bisschen mutiger bin als du, aber jetzt auch nicht rasend. Wahrscheinlich würde ich auch verdrängen, bis der Arzt kommt und dann hätte ich Angst zu kneifen. 😀
Ach ja, das Lebbe is schö‘, wenn man ne Schissbirne mit Kneif-Syndrom ist. Da geht dann schon einiges! Mehr zufällig und aus Gründen, aber man erlebt was. Ich kann das bestätigen.
Danke für die tollen Bilder und deine ehrlichen Eindrücke.
Schissbirne mit Kneif-Syndrom – ja, das trifft es ziemlich gut. Ich merke schon, wir würden uns gut verstehen ;)!
Oh mann, never ever! Ich bin noch nichtmal vom 2m-Brett gesprungen und finde schon das Eintauchen beim Sprung vom Beckenrand unerträglich – Kopf unter Wasser geht einfach gar nicht … Hut ab, dass du dich getraut hast!
Sieht trotzdem sehr lustig aus – für andere 😀
Ja, für andere. Genau ;)! Aber wenn man nicht mal ab und zu über sich selbst lachen kann, wofür ist so ein Blog denn dann gut ;)!?
Ich hätte Riesenschiss, aber es klingt schon irgendwie toll … 😀
Riesenschiss hatte ich auch. Aber vielleicht hat gerade das es so gut gemacht ;)!
OMG! Ich wäre gestorben. Aber dein Bericht und die Bilder sind so toll, dass ich mich vielleicht doch dazu überreden würde das auszuprobieren. Zumindest die Anfängerstufe, die auch Kinder packen muss doch zu meistern sein. Wer weiß vielleicht komme ich ja mal nach Korsika und mache das tatsächlich. Aber eigentlich habe ich Angst vor diesem Gedanken *g* Danke für deinen wundervollen Einblick.
Liebe Grüße, Carmen
Ich glaube, wenn man hier keine Angst hat, ist man nicht normal ;)! Und ich sage dir: Hinterher bist du stolz wie Oscar…
Wow, ich bin beeindruckt! Ich hätte das nie nie nie im Leben gemacht. Ich wäre wahrscheinlich direkt im Vorfeld zu Hause geblieben 😀 Niemals niemals würde ich auch nur aus einer Höhe von einem Meter in irgendein Gewässer springen… Echt beeindruckend, dass du deine Ängste so überwinden konntest und sogar Spaß hattest 🙂 Und sehr schöner Artikel dazu, habe ich gern gelesen!
Würde ich das bei jemand anderem lesen, ich hätte genauso reagiert ;)! Aber trotzdem habe ich es gemacht. Manchmal überrascht man sich selbst. Und das sind die besten Momente…
OMG – Fee, du hast meine uneingeschränkte Bewunderung!!! Ich glaube, das hätte ich mich niemals getraut… – umso lieber habe ich aber deinen großartigen Bericht gelesen!
Das freut mich. Und ein bisschen bewundere ich mich auch selbst dafür :D. Am Tag vorher dachte ich noch, ich würde kneifen…
Ich bin auch ein totaler Schisser. Also schwimmen und tauchen mag ich echt gerne, aber in die Tiefe springen oder rutschen? Oh bitte nicht 😀 da hab ich Respekt vor! Aber es ist irgendwie einfach cool! Ich weiß jetzt trotzdem nicht, ob ich mich das trauen würd, aber du kannst wirklich stolz auf dich sein!
Das Gute ist: Man sieht die Tiefe eigentlich nicht wirklich, außer bei den Sprüngen und die sind optional. Also vielleicht überlegst du es dir noch mal ;)!
Liebe Fee,
ich muss echt sagen: woooow! Ich konnte mich in deine Beschreibung ja so gut hineinversetzen, da ich defintiv auch eher von der ängstlichen Sorte bin 😉 Daher umso toller zu sehen, wie eine „unserer Spezies“ ihre Ängste überwindet und sich sowas Großes zutraut. Ich habe den Beitrag ganz ausführlich und aufmerksam gelesen und teilweise richtig mitgefühlt und mitgelitten. Du kannst echt stolz sein, das klingt alles wirklich ganz schön mutig. Und du hast damit sogar bewirkt, dass ich mir jetzt auch für mich vorgenommen habe, mich mehr zu trauen.
Liebste Grüße
Katharina
„Unsere Spezies“, das ist gut ;)! Klingt als könne man mich im Zoo besichtigen. Vielleicht sollte ich demnächst Eintritt nehmen… Aber im Ernst: Freut mich, dass ich die Tour offenbar gut rübergebracht habe. So gut, dass du dir selbst etwas vorgenommen hast. Besser könnte es für einen Blogger nicht laufen, glaube ich <3
sieht nach einem riesenspaß aus. genial!!
Und das war es auch. Obwohl ich es vorher nicht für möglich gehalten habe ;)!
Was hab ich gelacht! Du kannst echt klasse schreiben, Fee.
Ich bin auch ein Schisser, das würde ich im Leben nicht mitmachen und ich kann absolut nachvollziehen, dass Du Stolz wie Bolle bist. Manchmal muss man sich einfach überwinden.
Liebe Grüße
Steffi
Dankeschön :)! Und von Schisser zu Schisser: Es ist erstaunlich, was man so aus sich herausholen kann…
Ich bin ganz zufällig auf Deinen blog und diesen schönen Reisebericht gestossen. Ich habe Tränen gelacht, das hätte ich sein können… und unter dem Felsen wäre ich auch nicht hergeschwommen. Aber ich habe einen guten Grund: mir tun beim Tauchen die Ohren weh…
Tatsächlich geht mir das auch so. Genau wie im Flugzeug… aber das ist hier tatsächlich nicht der vordringliche Grund gewesen. Sondern schlicht meine Panik ;)!
Wahnsinnserlebnis – selbst für mich, als meine Kinder das letzte Woche gemacht haben, Zuschauen war schon aufregend genug. Nie hätte ich gedacht, dass die Tochter von einem Brückengeländer 10 m in die Tiefe springt! Danach hat man definitiv was zu erzählen. Ohne die Fotos von mir würde uns das wohl auch kaum einer unserer Freunde so abnehmen, sie vermuten immer erst mal, dass wir etwas übertreiben – nach den Bildern sind sie dann ganz kleinlaut. Beim rumkraxeln im Berg mit der Kamera vor dem Gesicht hatte mein Mann manches Mal mehr Angst um mich als um die Kinder *lach*
liebe Grüße und noch viele so tolle Erlebnisse wünsche ich Dir,
Petra
Wow, 10 Meter, das hätte ich an dem Tag nicht gepackt. Das habe ich zwar als Teenager auch mal gemacht, aber auch nur einmal überhaupt. Und meine Fußsohlen haben es mir gedankt ;)!
Dass das für Außenstehende erstmal alles wie wilde Märchen klingt, kann ich mir vorstellen. Aber es ist auf jeden Fall ein unvergessliches Erlebnis!
Toller Bericht. Ich finde das mutig. Und danke für die Fotos.
Ich danke dir :)!
Ja, Canyoning ist schon eine sehr coole Aktivität! Und Korsika eines der tollen Ziele dafür in Europa. Allerdings sollte man die Hauptsaison meiden, in der treten sich hunderte Kunden in den Schluchten die Füße gegenseitig platt.
Was ich unseriös finde, ist dass in dem ersten Promovideo unter anderem bei 0:20 der Guide keinen Helm trägt. Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß, denn auch ein Guidekopf ist nicht steinschlagfest. Und wenn der Guide ausfällt, haben die Gäste ein großes Problem.
Aber Canyoning ist definitv auch ein Sport und Naturerlebnis für unerfahrene Teilnehmer. Man sollte das „Draußen“ mögen und klar, ein wenig Mut mitbringen.
Ich wünsche allen zukünftigen Canyoning in Korsika Gästen viel Vergnügen. Achtet auf einen seriösen Veranstalter, dessen Guides am besten Eure Sprache sprechen.
Was die Sicherheit angeht, hast du natürlich völlig Recht. Das erste Video ist auch nicht von dem Anbieter mit dem wir unterwegs waren. Wie du in meinem eigenen, kleinen Video sehen kannst, hatte unser Guide einen Helm auf :)!
Die Bilder und das Video macht weckt bei mir direkt den Hunger auf den Sommer :).
Und auf Canyoning, hoffe ich ;)!
Ja, natürlich :). Ich kann garnicht genug Action haben.
Liebe Fee,
dein Beitrag ist echt super! Ich habe schon oft darüber nachgedacht Canyoning mal auszuprobieren und deine Bilder sind so echt, sympathisch und cool!
Vielen Dank, ich hatte große Freude ihn zu lesen.
LG
Susanna
http://www.cocoandsun.com/
Dankeschön, das freut mich sehr. Und wenn du ohnehin schon Interesse hast, dann mach es. Es war ein Riesenspaß :)!
Hallo Fee,
aaahh! Ein super Bericht und toll geschrieben – musste manchmal sehr schmunzeln 😀 Canyoning habe ich vorletztes Jahr zum ersten Mal ausprobiert und ja, ganz freiwillig ohne Pressereisedruck. Und es war unglaublich – so wie Du es auch beschreibst. Ich liebäugle, dieses Frühjahr nach Korsika zu reisen, dann will ich doch mal sehen, ob es noch ein Plätzchen für mich auf einer Tour hat. Das wäre großartig 🙂 Danke für die Inspiration! <3
Liebe Grüße,
Bianca
Ich bin gespannt, ob es dir genauso gut gefällt wie mir :)!
Korsika ist eines der schönsten Plätze der Erde – unglaubliche Natur. Wir kennen bis jetzt nur die nördl. Hälfte. Ich hätte mich nicht auf diese Canyoningtour getraut, aber ich bin fast doppelt so alt wie du.
Dein Bericht und die Fotos gefallen mir jedenfalls sehr.
Ich will hier keine Werbung machen, poste aber all unsere Reisen in einem Reiseforum.
Hier mein Bericht über unsere Korsikareise, wenn du magst.
Weiterhin viele erfolgreiche Erlebnisse auf dieser Welt.
Margarete
https://www.vivien-und-erhard.de/forum/index.php?thread/8915-korsika-ende-april/&pageNo=1
Ich dachte ja auch, ich würde mich das niemals trauen. Und tatsächlich war ich wie oben erwähnt die Jüngste der Truppe. Also: wer weiß ;)!