„Stille Nacht“ – eine echte Weihnachtsgeschichte über das berühmteste Weihnachtslied der Welt

ÖsterreichReisenSalzburger Land
20. Dezember 2015 / By / , , , , / 16 Comments

Als Mitte Oktober die Einladung für eine Bloggerreise „Auf den Spuren von Stille Nacht im Salzburger Land“ in meinem E-Mail-Postfach eintrudelte, war mir absolut nicht klar WIE wörtlich das Ganze gemeint ist. Mein Hirn reduzierte die Information auf Salzburg und Weihnachten. Vor meinem inneren Auge sah ich glitzernde Christkindelmarktszenen, mich durch tiefen Schnee stapfen und über allem die weihnachtlichen Klänge von Stille Nacht. Eine Live-Aufführung eines unfassbar kitschigen Weihnachtsfilmes. Nicht mehr und nicht weniger. Nun ja, ich musste dann feststellen: Die Uraufführung war abgesagt worden. Stattdessen gab es eine kleine wissenschaftliche Exkursion ;)!

Denn mit „Auf den Spuren von Stille Nacht im Salzburger Land“ war genau das gemeint: Drei Tage Hintergrundinfos zum bekanntesten Weihnachtslied der Welt. Das seinen Ursprung im Salzburger Land hat. Und zwar nicht nur in einem Ort, das wäre ja ziemlich einfach. Nein, eine ganze Region beansprucht einen Teil des historischen Erbes für sich. Ihr glaubt ja gar nicht, wie viele Varianten der gleichen Geschichte da zusammenkommen. Nun weiß meine innere Kulturanthropologin so einen geballten Input von Zeit zu Zeit durchaus zu schätzen, mein Blogger-Ich jedoch kämpfte nachhaltig mit der Vorstellung, diese Plattform hier im Anschluss in eine Art kulturhistorische Vorlesung zu verwandeln. Das will doch keiner hören, oder? Die beiden kämpften einen erbitterten Kampf, die kleine Kulturanthropologin schrie mir von der linken Schulter ins Ohr und die kleine Bloggerin zeterte auf der rechten Seite. Nun ja, Überraschung, die Kulturanthropologin hat das innere Death Match gewonnen. Ihre Argumentation hat mich überzeugt: Schließlich erzähle ich auf meinem Blog doch Geschichten, oder etwa nicht? Auch das hier ist eine Geschichte. Nur eben eine, die mir nicht selbst passiert ist. Und ich bin gespannt, ob ich sie (genau wie meine eigenen Erlebnisse) so verpacken kann, dass Ihr hinterher sagt: „Coole Sache. Danke fürs daran teilhaben haben lassen.“

"Stille Nacht" – eine echte Weihnachtsgeschichte über das berühmteste Weihnachtslied der Welt – "Fee ist mein Name""Stille Nacht" – eine echte Weihnachtsgeschichte über das berühmteste Weihnachtslied der Welt – "Fee ist mein Name""Stille Nacht" – eine echte Weihnachtsgeschichte über das berühmteste Weihnachtslied der Welt – "Fee ist mein Name"

Wo fange ich an? Nun ja, vielleicht mit der Erkenntnis, dass man „Stille Nacht“ nur an Heiligabend singen darf. Was mir absolut nicht klar war. Und da gibt es für die meisten der „Stille Nacht“-Orte (es gibt ihrer sieben) auch kein Vertun. Das Lied ist der Christmesse vorbehalten. Es gab sogar letztes Jahr in Österreich einen echten Shitstorm, als die Telekom das Lied in einem weihnachtlichen Werbespot verwendete und in der ganzen Adventszeit abnudelte. Ihr seht: Das ist kein einfaches Lied, für die Menschen im Salzburger Land ist „Stille Nacht“ serious business. Das nur vorweg. Und so verpuffte meine romantische Vorstellung, wir würden begleitet von zarten, vertrauten Klängen durch weihnachtliche Landschaften wandeln, direkt mit unserem ersten Stopp im 55km von Salzburg entfernten Örtchen Wagrain. Immerhin lagen tatsächlich ein paar Zentimeter Schnee. Die aber eher zu kollektivem Rutschen, denn zu beseeltem Wandeln führten. Nun ja, besser als nichts.

Beginnen wir die Geschichte mal aufzurollen. Und zwar von hinten. Denn in Wagrain begegnete uns als erstes ein Grab. Das von Joseph Mohr. Dessen Namen vermutlich noch niemand von Euch je gehört hat. Dabei wäre er als Songwriter vermutlich bald in aller Munde, hätte er den Liedtext nicht 1816, sondern 2016 verfasst. So jedoch blieb ihm die Anerkennung für seinen Welthit zu Lebzeiten versagt. Er starb 1848 in Wagrain, wo er als Vikar seine letzten Lebensjahre verbrachte, noch bevor die Öffentlichkeit erfahren konnte, wer hinter den berühmten Zeilen steckt.

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Aber spulen wir drei Jahrzehnte zurück. Zu diesem Zeitpunkt lebte der junge Mohr gerade in Mariapfarr, wo er eine Einstellung als Hilfspfarrer bekommen hatte. Das war alles andere als selbstverständlich (ganz im Gegenteil, es war sogar außergewöhnlich), denn er wurde als uneheliches Kind geboren, was für die katholische Kirche damals ungefähr gleichbedeutend war mit „offiziell nicht existent“. Wie auch immer, er hatte es geschafft und war in erster Mission im Bezirk Lungau gelandet. Wo er 1816 den Text zu „Stille Nacht“ verfasste. Heimlich, still und leise, kann man vermutlich sagen, denn anschließend verschwanden die Worte erst mal in der Schublade.

1818 jedoch überlegte er es sich anders. Mittlerweile hatte es ihn nach Oberndorf verschlagen, wo er dem Lehrer Franz Xaver Gruber aus Arnsdorf begegnete, der hier im Nachbarort den Kantoren- und Organistendienst übernommen hatte. Die beiden jungen Männer, 26 und 31 Jahre alt, verstanden sich gut – heutzutage würde man vermutlich sagen: Sie wurden nicht nur Kollegen, sondern gute Kumpel. Und so begab es sich am Weihnachtstage, dass Mohr spontan sein Gedicht aus der Jackentasche zauberte und Gruber um eine Melodie dafür bat. Der ließ sich das nicht zweimal sagen, komponierte mal eben die heute weltbekannten Noten und noch am selben Abend führten die beiden das Lied erstmals (und auch das einzige Mal) gemeinsam in der Weihnachtsmesse auf. Mohr sang Tenor und spielte Gitarre, Gruber sang die Bassstimme. Wieso spielte er dazu nicht auf der Orgel, fragt Ihr Euch? Nun ja, das ist der Knackpunkt: Keiner weiß es so richtig. Die einen sagen, die Orgel war kaputt, die anderen sagen, es hätte gar keine Orgel gegeben, wieder andere meinen, das Lied wäre nie dafür gedacht gewesen. Wie auch immer, es ist auch eigentlich völlig schnurz: Mohr und Gruber legten jedenfalls eine ordentliche Impro-Session aufs Kirchenparkett. Ich würde ja jetzt behaupten, die Kirchengemeinde hätte getobt und es hätte Standing Ovations gegeben. Aber das hätte ich mir dann ausgedacht. Obwohl: Nur weil es nicht überliefert ist, heißt das ja nicht, dass es nicht stattgefunden hat ;)! Fakt ist: Kurz darauf gingen Mohr und Gruber getrennter Wege (das alte „Neuer Job und der Kontakt schläft ein“-Lied), verbuchten die gemeinsame „Stille Nacht“-Episode unter „Schöne Erinnerung“ und sprachen nie wieder darüber.

"Stille Nacht" – eine echte Weihnachtsgeschichte über das berühmteste Weihnachtslied der Welt – "Fee ist mein Name"
"Stille Nacht" – eine echte Weihnachtsgeschichte über das berühmteste Weihnachtslied der Welt – "Fee ist mein Name"
"Stille Nacht" – eine echte Weihnachtsgeschichte über das berühmteste Weihnachtslied der Welt – "Fee ist mein Name"

Wie kommt es also, dass heute die ganze Welt das Lied kennt? Man könnte behaupten, die Grundlage dafür war eine Urheberrechtsverletzung. Eingängig wie „Stille Nacht“ nun mal ist, wurde es in den Jahren nach der Uraufführung eine Art weihnachtlicher Gassenhauer. Naja, nicht ganz, aber es wurde weitergetragen. Bis zu zwei Tiroler Sängerfamilien, die vor allem in der Weihnachtszeit über deutsche Märkte zogen und die Kunden nicht durch flotte Sprüche, sondern durch die Darbietung von „ächten Tyroler Liedern“ an ihre Stände lockten. Und dazu gehörte vermeintlich auch „Stille Nacht“, das in diesem Kontext 1833 auch zum ersten Mal schriftlich niedergelegt wurde. Content-Klau würde man das in Zeiten des Internet nennen. Aber natürlich konnte niemand einfach googeln und den wahren Urheber aufdecken und Mohr und Gruber hatten auch keine Facebook-Follower, die die „Diebe“ denunziert hätten. Und so setzte sich „Stille Nacht“ noch für einige weitere Jahre in den Köpfen der Menschen fest, bis es schließlich, über dreieinhalb Jahrzehnte nach seiner Entstehung, zu einer Art schöpferlosem Volkslied mutiert war. Zum Glück war König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen so etwas wie ein früher Hardcore-Fan und ließ nicht locker, um die wahre Geschichte hinter seinem Liebling-Song ausfindig zu machen. Ich mache es kurz: Irgendwann bekam Gruber davon Wind, bekannte sich zu seiner Komposition, warf auch noch den Hut des mittlerweile verstorbenen Mohrs in den Topf und endlich hatte das Kind einen Namen. Oder das Lied zwei Väter.

"Stille Nacht" – eine echte Weihnachtsgeschichte über das berühmteste Weihnachtslied der Welt – "Fee ist mein Name"
"Stille Nacht" – eine echte Weihnachtsgeschichte über das berühmteste Weihnachtslied der Welt – "Fee ist mein Name"
"Stille Nacht" – eine echte Weihnachtsgeschichte über das berühmteste Weihnachtslied der Welt – "Fee ist mein Name"

Heute wird „Stille Nacht“ in über 300 Sprachen und Dialekten gesungen und trotzdem weiß immer noch kaum einer so richtig, wo es eigentlich herkommt. Offiziell sind Mohr und Gruber zwar schon lange bekannt, aber es ist vermutlich bezeichnend, dass das Lied vor einigen Jahren im deutschen Fernsehen zum beliebtesten Weihnachtslied gewählt wurde und die Quellenangabe nur „Volkslied“ verzeichnete. Dabei hätte man lediglich die Wikipedia konsultieren müssen ;)!

Ich würde zwar niemandem zu einer extra zu diesem Zwecke geplanten Reise „Auf den Spuren von Stille Nacht im Salzburger Land“ raten, die zu all den Orten führt, die wir wir auch besucht haben (immerhin habe ich Euch jetzt auch schon die Pointe der Geschichte erzählt), aber eine Reise ins Salzburger Land lohnt sich mit Sicherheit jederzeit. Sei es zum Skifahren, um Salzburg zu besichtigen oder einfach, um die traumhafte Bergregion zu entdecken. Und wenn Ihr dann ohnehin schon da seid und noch ein bisschen tiefer ins Thema einsteigen wollt, könnt Ihr ja vielleicht eins der Stille-Nacht-Museen auf Eure Liste setzen. Die leben vor allem von den Menschen, die dahinter stehen und die für das Thema brennen. Wenn Ihr zu Beispiel das Glück habt und in Arnsdorf auf Kustos Max Gurtner trefft, dann wisst Ihr, was ich meine. Er sieht mit seinem Rohrstock oben furchterregender aus, als er ist. Tatsächlich hat Max die „Stille Nacht“ für uns erst richtig zum Leben erweckt. Mit Witz und Charme und viel Herzblut. Danke dafür.

Vielleicht singt Ihr ja in ein paar Tagen das Lied an Heiligabend und denkt dann an „meine“ Geschichte. Bei uns wird schon lange nicht mehr gesungen, aber vielleicht führe ich das dieses Jahr wieder ein. Ganz improvisiert, wie auch damals vor knapp 200 Jahren. Ich treffe zwar keine Töne, aber es ist die Botschaft, die zählt, nicht wahr? Im Original umfasst das Lied übrigens sechs Strophen  (nicht nur die bekannten drei, die meistens gesungen werden) und ist vor dem Hintergrund der Napoleonischen Kriege als Wunsch nach Frieden zu lesen. Und der ist heute aktueller denn je.

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Vielen Dank für die Einladung zu der Reise an Salzburger Land Tourismus und die einzelnen Stationen unserer Reise Wagrain, Hallein, Arnsdorf, Oberndorf und Salzburg.

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16 Kommentare

  1. Geschwister Gezwitscher sagt:

    Schöne Geschichte und ein bisschen Bildung schadet ja nicht, was? 😉
    Ich wünsche dir erholsame und fröhliche Weihnachtstage, auch mit ein bisschen stiller Nacht. Liebste Grüße
    Eva

  2. julia sagt:

    schöne geschichte, schöne bilder… ich werd' dann mal heimlich still und leise vor mich hinträllern – vielleicht sogar ganz revolutionär am 26. o.O

  3. Frau Ella_1 sagt:

    Liebe Fee, du hast das genau richtig gemacht, schön, dass du Geschichte erzählt hast. Ich kenne sie, da wir als Kinder immer im Salzburger Land Urlaub machten und unsere Eltern uns in Oberndorf die Kapelle zeigten. Es gibt übrigens eine wunderschöne Verfilmung mit Tobias Moretti!
    Frohe und einen wunderbaren Heiligen Abend!

  4. Katharina sagt:

    Ich mag solche "Bildungs-Posts" auch sehr, gerne mehr davon. Danke, dass du es so spannend und informativ auf den Punkt gebracht hast.

  5. Die Gute Güte sagt:

    Liebe Fee,
    vielen lieben Dank für diese herrliche Nacherzählung!
    Bei Stille Nacht-Fragen werd ich in Zukunft einfach auf deinen Blogbeitrag verweisen 🙂
    Herzliche Grüße
    Caro

  6. Miri Seier sagt:

    Ich sitze gerade an meinem Post, aber ich glaube, ich poste nur ein Foto und verlinke zu dir. Besser zusammengefasst bekomme ich das eh nicht. 😉
    Und: Ich bin immer noch entsetzt, dass der Herr in der Stillen Nacht Kapelle uns gezwungen hat, das Lied vor dem 24. zu singen! Also zum einen, weil das ja gar nicht geht, und zum anderen, weil ich singen musste. 😉

    Liebe Grüße und jetzt schon mal frohe Weihnachten!

  7. Steffi sagt:

    Danke für die Überlieferung dieser Geschichte! 🙂 Ich werde sicher in der Christmette an dich denken, wenn das Lied zum Schluss gesunden wird – so wie jedes Jahr. <3

    Lieber Gruß
    Steffi

  8. Frauke { it's me! } sagt:

    Ich sag mal fein Dankeschön in die Stille Nacht!
    Das war echt interessant, wirklich.
    Liebe Grüße … Frauke

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