Parks haben ja irgendwie ein Imageproblem. Jetzt nicht grundsätzlich, eher saisonal. Während sie im Sommer regelmäßig überrannt werden, kann man die Besucher im Winter an einer Hand abzählen. Mal abgesehen von den paar Joggern, die auch noch bei Eis und Schnee unverdrossen ihre Runden drehen, und den Hundebesitzern, die weniger aus Spaß an der Freude als aus Notwendigkeit unterwegs sind, verlaufen sich in der Regel nur wenig Hartgesottene in die öffentlichen Grünanlagen, sobald die letzten Blätter von den Bäumen gesegelt sind. Und ich prangere das an.
Ich bin der Meinung: Parks haben unsere Liebe ganzjährig verdient. Unseren Liebsten sagen wir ja auch nicht Lebewohl, sobald die Haare grau und später weniger werden und die Haut faltiger. Oder zumindest verurteilen wir all jene, die ihre zwischenmenschlichen Beziehungen auf solchen Oberflächlichkeiten aufbauen. Wieso legen wir bei Parks andere Werte an? Eben.
Viele Menschen machen sich noch nicht mal die Mühe, die Schönheit von Parks im Winter zu entdecken. Dabei gibt es so viele gute Gründe, auch bei Temperaturen unter 10°C (ich weiß: arktisch) nicht nur bis zum nächsten Supermarkt zu laufen (wenn überhaupt), sondern die Schuhe anzulassen und im gleichen Schwung eine Runde durch die benachbarten Grünanalagen zu drehen.
Bei mir (und der geneigte Leser weiß um diesen Umstand) ist der Park der Wahl (oder auch des Herzens) der Westfalenpark. Was einerseits daran liegt, dass ich nur aus der Haustür zu fallen brauche und in fünf Minuten da bin (ich nenne ihn nicht umsonst „meinen erweiterten Vorgarten“), andererseits aber vor allem daran, dass ich quasi dort aufgewachsen bin. Wer sich an meinen letzten „Phoenix West“-Post erinnert: Dort verortete ich das Wohnhaus meiner frühen Kindheit als „ziemlich genau zwischen Phoenix West und Phoenix Ost“. Was ich dabei nicht erwähnte: Die dritte, wichtige Hauptkoordinate meiner kindlichen Weltwahrnehmung war der Westfalenpark.
Einmal an der Emscher entlang (die damals noch kein hübsches, klares Bächlein, sondern eine stinkende, einbetonierte Kloake war) und wenige Minuten später schoben meine Mutter und ich uns durch das Drehtor am südöstlichen Ende des Robinson-Spielplatzes. Gefühlt die Hälfte aller Fotos meiner ersten drei Lebensjahre ist dort entstanden. Und zwar (und das ist wichtig) nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter. Nur zu gerne hätte ich Euch als Beweis das Foto gezeigt, auf dem ich (noch keine zwei Jahre alt) auf den alten Holzbänken der Seebühne sitze, warm verpackt in einer Miniatur-Michelin-Männchen-Daunenjacke, auf dem Kopf eine Mütze mit einer Quaste statt Bommel und im Gesicht das fetteste Grinsen aller Zeiten. Nun ja, es sind Menschen darauf, von denen ich keine Ahnung habe, welche Rolle sie mal in meinem Leben spielten, aber ihre Persönlichkeitsrechte will ich trotzdem nicht verletzen. Also müsst Ihr mir glauben: Ich fand den Westfalenpark schon immer toll. Sommers wie winters. Und das seit mittlerweile fast 35 Jahren.
Welchen Park Ihr für Euren winterlichen Spaziergang wählt, ist jedoch relativ schnuppe. Denn die grundlegenden Prinzipien sind überall dieselben, von denen ich Euch nun ein paar der Wichtigsten ans Herz legen möchte. Und ich habe fotografische Beweise für meine Thesen mitgebracht. Natürlich. Ich nehme an, Ihr habt nichts anderes erwartet.
1) Alles „schee“ macht der Schnee
Okay, dass alles hübsch ist, wenn dicker, pudriger Schnee darauf gefallen ist, ist vielleicht keine besonders große Überraschung. Vermutlich sind solche Tage auch die einzigen, an denen die Parks trotz des jahreszeitlichen Stigmas ein Besucherhoch verzeichnen dürfen. Der Vollständigkeit halber möchte ich den Punkt trotzdem aufführen, schließlich soll es immer noch Leute geben, die Schnee doof finden. Das sind aber vermutlich nur all jene, die mit Schnee bloß matschig-braune Berge am Straßenrand und Verkehrschaos verbinden, weil der Winter mal wieder so überraschend kam und die Hälfte der Mitmenschen immer noch keine Winterreifen aufgezogen hat. Diese weiße Pracht im Fernsehen, die gibt es doch nur in den Bergen, alles andere ist Fotomontage, denken diese Schwarzseher. Aber sie haben Unrecht, denn das Winterparadies ist real: In unseren Parks. Und da ist es dann auch egal, wenn der Himmel eine weißlich-graue Suppe zum Besten gibt. Passt ja schließlich zum Rest. Mal schauen, ob wir diesen Winter noch mit Schnee beglückt werden…
2) Eng verwandt und doch ein eigenes Phänomen: Frost
Während Spazierengehen im frischen Schnee dumpfe, wolkige Geräusche erzeugt, führt das Laufen über einen gefrorenen Parkboden zu fröhlich knisternden und knackenden Lauten. Am besten klappt das frühmorgens, wenn kaum jemand die Idylle stört und etwaiges Sonnenlicht (man mag es sich kaum vorstellen) die kleinen Eiskristalle schon hinweggeschmolzen hat. Noch viel spannender ist es jedoch, sich die kleinen Eissterne aus der Nähe anzuschauen. Mit einem guten Zoom oder gar einem Makroobjektiv klappt das ganz vorzüglich. Und alle anderen brauchen gute Augen ;)!
3) Kaum da, schon wieder weg
Nun ja, ich erwähnte es schon: Die Sonne. Und selbst wenn sie nicht herauskommt: In unseren pottschen Breiten halten sich Eis und Schnee in der Regel nur für einen begrenzten Zeitraum. Da kann man jetzt weinen und sein Leid klagen oder aber man schwingt die Hufe und erwischt die Reste. Tropfende Eisklumpen oder auch nur noch Tropfen – auch sie können sehr hübsch sein. Und in so einem einzelnen Tropfen wiederum können sich ganze Welten verbergen. Wenn auch kopfüber.
4) Die Schönheit liegt im Detail
Auf den ersten Blick wirkt so ein winterlicher Park (sofern gerade kein Schnee liegt und auch kein Frost das detailsuchende Auge erfreut) häufig relativ trostlos. Ich gebe es ja zu. Wenn man dann nicht gerade im Geiste mit Edgar Allen Poe verbandelt ist und das Morbide oder eine grundsätzlich düster-romantische Atmosphäre schätzt, wirkt so ein Spaziergang im ersten Moment wenig reizvoll. Das liegt aber nur daran, dass man den Blick auf das Ganze richtet und den Reiz der kleinen Dinge übersieht. Dabei drängen sie sich im Winter sogar noch mehr in den Fokus als im üppigen Frühling oder Sommer, wo das Auge vor lauter Überfluss gar nicht weiß, wo es zuerst hinschauen soll. Was ich also das ganze Jahr über predige, gilt im Winter besonders: Wer einen Blick für Details entwickelt, weiß die Schönheit der Natur (oder seiner Umwelt an sich) erst richtig zu schätzen. Dabei gilt: Je kleiner und unscheinbarer, desto erstaunlicher. Probiert es aus.
5) Winterlicht macht die schönsten Farben
Wenn im Winter mal die Sonne herauskommt, sind die Farben zwar reduzierter als im Sommer, aber dafür extraschön. Die Natur hat sich dafür einen perfekten Komplementärkontrast überlegt: Klirrendes Eisblau tagsüber trifft warm-goldenes Orangebraun zum Sonnenuntergang. Und besonders letzteres entwickelt eine Magie und Strahlkraft, bei der der Sommer aber sowas von das Nachsehen hat. Ich könnte jetzt eine physikalische Erklärung bemühen, die mit der tieferstehenden Sonne zu tun hat, aber ich erspare uns allen dieses kleine Referat. Fakt ist: Schöööön.
6) Spezialfall Westfalenpark: Das Winterleuchten
Eine ganz besondere Form des Winterleuchtens (ganz unabhängig vom Sonnenstand) hat schon seit einigen Jahren Dezember um Dezember der Westfalenpark im Programm. Für alle, denen dringend mal wieder heimgeleuchtet werden muss, installiert world-of-lights nun schon seit einem Jahrzehnt wechselnde Lichtinstallationen im Park, die täglich ab 17 Uhr bestaunt werden können und das in diesem Winter sogar bis zum 16. Januar. Da spielt dann auch das Wetter keine Rolle mehr. Zumindest so lange es nicht stürmt. Wobei das Spektakel im Schnee natürlich noch schöner ist. Naja, die Hoffnung stirbt zuletzt. Und wie Ihr seht: Auch ohne kann sich das Winterleuchten sehen lassen.
So, wer jetzt nicht überzeugt ist, dem ist definitiv nicht mehr zu helfen. Der findet wahrscheinlich auch Rentierbabys, „Tatsächlich Liebe“ (anderen Lieblings-Weihnachtsfilm hier einsetzen) und selbstgebackene Plätzchen doof. Und auf so ein Niveau lasse ich mich nicht herab ;)! In diesem Sinne: Einen schönen Winter(-spaziergang) wünsche ich. Und bringt mir ein paar hübsche Fotos mit.
Dieser Post erscheint ebenfalls auf „Dortmund überrascht. Dich“ – der Website zur gleichnamigen Imagekampagne. Für die Erstellung habe ich ein Honorar erhalten. Die zusätzliche Veröffentlichung hier erfolgt aus freien Stücken. Einfach weil ich glaube, dass es Euch auch interessiert :)!
Ich liebe Deine Natur-Fotos!
LG Anna
… und das prangere ich an! 😀 ohrwurm!
voll schöne bilder… vielleicht wage ich auch mal so ein "draußen-experiment", wenn der winter dann mal da ist… im januar oder so 😉
Ehrlich gesagt habe ich Helge Schneider dank dem Freund so sehr verinnerlicht, dass ich die meiste Zeit noch nicht mal mehr merke, wenn ich ihn zitiere :D!
Woher nimmst du nur immer deine tollen Ideen für solche Posts, Fee? Ganz ehrlich: Neben deinen Fotos, die Art, WIE du deine Artikel/Posts schreibst, finde ich auch die Themenwahl einfach toll und inspirierend.
Ich empfinde Winterspaziergänge durch Parks genauso und habe mich daher so gefreut, dass es mal jemand in Worte gekleidet und durch so schöne Fotos illustriert hat.
Jetzt wäre ein bisschen Schnee schön, damit wir die verschiedenen Stadie Schnee -> Frost -> Tau wieder bestaunen können 🙂
Hab eine schöne Adventszeit!
Oh wow, danke für das tolle Kompliment <3! Ehrlich gesagt mache ich mir da gar keine Gedanken. Mir fällt etwas ein und dann blogge ich darüber ;)! Das ist jetzt keine besonders befiredigende Antwort, oder?!
Doch schon 🙂 Das zeigt einfach, dass du ein Mensch mit ganz vielen tollen Gedanken und Ideen bist. Deswegen lesen ich und andere hier so gerne.
Danke, und (nicht nur, aber auch) aufgrund solcher netten Kommentare blogge ich :)!
sehr schöne Bilder und ein schöner Beitrag, zum Rausgehen anregen grade rechtzeitig. Das rausgehen ist im Winter auch sehr wichtig
Schöööön!
Na klar muss man auch im Winter raus, und der Vorteil ist, dass der Park/der Wald/die Wiese nicht so überbevölkert ist!
LG
Jojo aus Berlin
Ich prangere an – mit einem Tränchen im Auge – das ich in diesem Jahr nicht ein einziges Mal den Fuß durchs Drehkreuz am Florian gesetzt habe. A Schand is das!! So geht das nicht weiter. Für meinen Urlaub ist das sowas von feste eingeplant. Ich bin wild entschlossen. Und sag dann Bescheid, gg!
Ich mag den Park im Winter total. Meinen Vorgarten – unseren Stadtpark – aber auch.
Lg Haydee
So geht das aber wirklich nicht! Ich bitte um umgehende Behebung dieses Missstandes. Und wenn ich gerade in der Nähe bin, schließe ich mich gerne an ;)!
Wow, der Post ist einfach nur mega-klasse! Danke Fee 🙂
Ich gehe auch kaum in Parks, muss ich zugegeben… nicht mal in Sommer. Das liegt aber auch daran, dass ich am Stadtrand wohne und der Weg ins freie Feld ist mit 5 Minuten wesentlich kürzer. Da bin ich dann um so öfter, auch diesen Winter.
Ein Spaziergang macht einfach so schön den Kopf frei, über jeden Sonnenstrahl freue ich mich gleich doppelt. Nur ans Fotografieren denke ich nie – ich will meinen Spaziergang ohne Ablenkung genießen 🙂
Liebe Grüße
Das mit den Parks ist halt so eine städtische Sichtweise. Aber ja, Felder tun es auch ;)!
Ich glaub ich muss auch mal wieder im Westfalenpark vorbei…:-)
Danke für's Erinnern!
LG
Heidi
ich stimme dir sowas von zu! ich habe meine liebe für parks im winter letztes jahr mit dem uraltanalogobjektiv der praktika von meinem schwiegervater in spe entdeckt und freu mich schon wieder auf den morbiden charme mit schneeflocken und verwelkten, einsamen blättern.
Ja, analog kann man da noch mal viel mehr rauskitzeln. Das passt perfekt! Ich sollte auch mal wieder ein paar Filme einlegen…
Es macht wirklich Spaß deine Texte zu lesen 🙂
Danke, das freut mich sehr :)!