Hättet Ihr mir vor ein paar Monaten gesagt, dass ich mal „freiwillig“ auf einer Alm übernachten würde, ich hätte laut gelacht. Weniger wegen der Alm an sich, dagegen hatte ich nichts, vielmehr gegen die damit verbundene Vorstellung von Jugendherbergsfeeling. Während andere Menschen mit Freuden im Urlaub in Hostels mit Mehrbettzimmern nächtigen, um den einen oder anderen Euro zu sparen, gibt es für mich keine höhere Strafe. Ich ziehe ein Einzelzimmer jederzeit der Übernachtung mit selbst meinen besten Freunden im gleichen Zimmer vor. Diskussion zwecklos.
Noch schlimmer als die Zimmersituation ist allerdings das Konzept von Gemeinschaftsduschen in solchen Etablissements. Mal ehrlich, das ist doch eine Erfindung des Teufels. Wenn man nicht gerade einen Modelkörper oder eine exhibitionistische Ader hat, kann man das Nackigmachen vor anderen Menschen doch nicht ernsthaft befürworten, oder?! Gut, vermutlich bin ich einfach nur ein verklemmter Spießer mit Selbstwertproblemen, aber Fakt ist: Ich HASSE Gemeinschaftsduschen. Schwimmbäder, Sporthallen, Fitnessstudios, Jugendherbergen, Hostels und Co. Ich meide sie, wo es geht. Klappte bisher auch gut. Und zwar bis genau zu dem Moment, als mir das Programm für den Trip an den Achensee im vergangenen Juli ins Haus flatterte.
Der erste Schock (Was? Ich soll WANDERN?!) hat nicht einmal annähernd Zeit sich zu setzen, da kommt der nächste gleich mit dem Holzhammer hinterher: „Nach der Tour Check-in in der Dalfazalm. Ein Doppelzimmer ist reserviert.“ Mein Hirn komprimiert die beiden Sätze in Nullkommanix auf ein einzelnes Wort. Vor meinem inneren Auge tanzen die drei Buchstaben A, L und M höhnisch grinsend hin und her und rezitieren in einem besserwisserischen Singsang: „Wer Reiseblogger sein will, muss leiden muss auch mal was Neues wagen!“ Meine Gefühle schwanken zwischen Verzweiflung und dem Wunsch, den dämlich tanzenden Schriftzeichen die Fresse zu polieren. Aber was habe ich für eine Wahl? Ich will mir keine Blöße geben, genauso wenig wie in Sachen Wandern, und so klammere ich mich an die Tatsache: Immerhin ein Doppelzimmer.
Aber der nächste Schreck folgt stehenden Fußes. Gerade habe ich geklärt, dass wir den Großteil unseres Gepäcks für die Nacht in der Talstation der Rofan-Seilbahn würden deponieren können, immerhin würden wir ja zur Alm wandern und auch von dort wieder ins Tal, da lese ich: „Handtücher und Bezüge für Decken bitte selber mitbringen.“ Für die Wanderfetischisten unter Euch ist das vermutlich selbstverständlich, aber für mich Hüttenhonk kommt die Erkenntnis doch recht überraschend. Um nicht zu sagen: Ich fange schon fast wieder an zu hyperventilieren.
Nun ja, dank der gebotenen Kurzfristigkeit und der Tatsache, dass ich mich unweigerlich gezwungen sehe, neben dem schon arg reduzierten, aber immer noch umfangreichen Kulturbeutel (ich latsch doch nicht ohne Conditioner auf ’ne Alm ;)), meinen Wechselklamotten und den Hausschuhen (die Wanderschuhe müssen nämlich „draußen“ bleiben) auch noch mein gesamtes Kameraequipment mitzuschleppen, was den Rucksack allein schon fast füllen würde, bekommt die unbedarfte Bloggerin (das bin ich) eine Extrawurst gebraten und darf den Bettbezug zu Hause lassen. Und das Handtuch bekomme ich gerade noch so reingequetscht… Es kann losgehen. Oder besser: Ich kann losgehen.
Dass ich meine Vorbehalte gegen das Wandern fast augenblicklich zu den Akten lege, als ich den ersten Schritt aus der Seilbahn setze, erwähnte ich schon. Und auch dass meine Alm-Ur-Ängste sich schnell als unbegründet herausstellen. Was ich Euch noch schulde, sind die Details. Es fängt alles schon so gut an, dass danach eigentlich nichts mehr schiefgehen kann: Nämlich mit einer persönlichen Einweisung in die Geheimnisse des legendären Dalfaz-Kaiserschmarrns.
Ja, ich weiß, einige von Euch fangen jetzt schon an zu sabbern, aber mit einem genauen Rezept kann ich leider nicht dienen. Zwar schaue ich die ganze Zeit zu, aber es geht alles so schnell, da komme ich kaum hinterher. Das Geheimnis ist nämlich: Dalfaz-Wirtin Renate Moser rührt ihren Teig nach Gefühl zusammen. Frische Milch von den eigenen Kühen, (viele) Eier und Mehl mit einer Prise Salz, gebraten in Butterschmalz und zwar, ganz wichtig, in der Eisenpfanne. Wer jetzt den Zucker sucht: Zu Recht. Es kommt nämlich keiner rein. Nur hinterher Puderzucker über den fertigen Schmarrn. Und man vermisst ihn nicht, selbst wenn man wie ich dazu neigt, eher immer alles zu übersüßen. Serviert mit Preiselbeeren und das Glück ist perfekt. Ich habe gar nicht erst versucht, die Zubereitung später zuhause zu reproduzieren. Ich wäre mit Pauken und Trompeten gescheitert.
Nächster Programmpunkt: Zimmerbesichtigung. Dank Termin in der Woche (und noch bevor in Bayern die Ferien losgehen) sind wir neben einem weiteren Paar die einzigen Gäste in dieser Nacht und könnten locker auch eine Privatparty in einem der großen Mehrbettzimmer feiern Nichtsdestotrotz bin ich froh, dass die Dalfaz-Alm auch zwei gemütliche Doppelzimmer bereithält. Denn davon bekommen wir das Premium-Modell: Mit einem riesigen, sonnigen Balkon zur Seeseite hin gelegen. Mit der unfassbarsten Aussicht, die man sich nur vorstellen kann. Im Vordergrund saftige, grüne Almwiesen, unten im Tal in einem tiefen Türkis funkelnd der Achensee und dahinter das romantisch bewaldete Karwendelgebirge. Da ist es mir sogar egal, dass Toilette und Waschbecken im Flur liegen. Für DIE Aussicht renne ich sogar klaglos bis zu den Duschen in den Keller. Die zum Glück abschließbar sind. Vier Stück, verteilt auf zwei Räume. Genug für alle. Zumindest in dieser Nacht. Und alles andere ist mir tatsächlich erst mal egal…
Während wir uns noch häuslich einrichten, was zugegebenermaßen bei dem überschaubaren Gepäck schnell erledigt ist, zieht es draußen zu. In apokalyptischer Geschwindigkeit. Und wir dachten den ganzen Tag über, dass der Wetterbericht sich vertan hätte. Gewitter? Wo denn? Tja. Hier… Noch nie habe ich mich bei einem Unwetter so mittendrin gefühlt wie in diesem Moment in den Bergen. Und das obwohl sich das Spektakel hauptsächlich auf der anderen Seeseite abspielt. Die Wolken türmen sich über den Bergspitzen zusammen, es wird dunkel (fast) wie in der Nacht, in der Ferne grollt der erste Donner und dann kommen die Blitze. Und wir haben Logenplätze auf unserem Balkon. Einen kurzen Moment lang ärgere ich mich, dass ich kein Stativ dabei habe. Im nächsten beglückwünsche ich mich, dass ich nicht auf die bekloppte Idee gekommen bin, NOCH MEHR Equipment mitzuschleppen. Ich filme stattdessen nur eine kurze Blitzszene fürs Video und genieße die Show.
Anschließend: Abendessen. Schließlich gab es ja schon so lange nichts mehr. Die Wolken haben sich verzogen und auch wenn es frisch geblieben ist, eingekuschelt in unsere Jacken machen wir es uns mit Spiegelei, Speck, Wurst und Sauerkraut auf der Terrasse gemütlich. Die Ausflugsgäste sind alle verschwunden und die Stille hier oben ist für uns „Stadtkinder“ so surreal, dass der Freund beschließt noch einen kleinen Spaziergang machen zu wollen, bevor die Sonne untergeht. Um genau zu sein, will er zur Bergkuppe laufen und ins nächste Tal runterschielen, wo er sich einen besseren Blick auf den Sonnenuntergang erhofft. 30 Minuten braucht man da schon, meint Renate Moser, und mein Einwand, dass das bei uns dann eher das Doppelte sein dürfte, wird genauso schnell weggewischt, wie die Regenwolken, die gerade noch über der Alm standen. Nun ja.
Wir sind noch keine zehn Minuten gelaufen, da macht es „Plumps“ und die Sonne verschwindet hinter dem Berg. Und der Weg, dem wir bis hierhin gefolgt sind, neigt sich gen Tal. Also nix mit Bergkuppe, zumindest nicht mit mir. Der Freund jedoch hat andere Pläne. „Ich laufe nur noch ganz schnell über die Wiese da hoch. Schau mal, von dort oben müsste ich die Sonne noch sehen. Das ist gar nicht so weit weg.“ Doch. Sage ich. Isses. Interessiert ihn aber nicht. „Warte hier, ich bin gleich wieder da“. Sprichts und läuft los. Ich mache es kurz: Er schafft es nicht bis nach oben. Nachdem ich ihm irgendwann wild gestikulierend versuche klarzumachen, dass mir echt kalt wird, während ich da so wartend auf einem Stein hocke und meine wanderbeschuhten Füße gegen den rosa Abendhimmel fotografiere, und dass wir den Weg im Dunkeln nicht unbedingt besser zurückfinden würden, kommt er ziemlich dreckig wieder runter. Immerhin hat ihn die Erkenntnis auch ereilt. „Du hattest Recht“, sagt er. Ich spare mir ein „Ich weiß“. „Aber es war echt nicht mehr weit. Fast hätte ich es geschafft…“
In dieser Nacht schlafen wir wie Babys. In getrennten Betten wohlgemerkt. Doppelzimmer heißt hier nämlich nur: Da können zwei Personen schlafen. Aber ehrlich: Für „A Sünd“, wie es einem gewisse halbseidene Erotikstreifen aus den 70ern suggerieren wollen, sind wir heute eh nicht mehr aufgelegt. Dafür müsste ja noch Energie übrig sein. Aber die haben wir ins Wandern gesteckt. Und ins Essen ;)!
Nach einer heißen Dusche (zugegebenermaßen hatte ich auch etwas Sorge, das Wasser könnte nicht warm genug sein) bei abgeschlossener Tür (yeah ;)) und einem sättigenden Frühstück, schnüren wir am nächsten Morgen wieder unsere Wanderschuhe. Meine Haare sind nicht geföhnt, aber es ist mir scheißegal. Während die ersten Wanderer für diesen Tag eintreffen, besuche ich noch schnell die Kühe und die Schweine und dann geht es schon wieder hinab ins Tal. Schade eigentlich. Ich wäre gerne noch geblieben. Und niemand könnte über diese Erkenntnis erstaunter sein als ich…
Information: Die Dalfaz-Alm ist jeweils von Anfang Mai bis Allerheiligen geöffnet. 2015 kostete eine Übernachtung inklusive Frühstück 21,50€ pro Nacht. Heiße Dusche inbegriffen. Die Atmosphäre ist gemütlich und familiär, das Essen rustikal und lecker, die Aussicht phänomenal und die Mosers sind großartige Gastgeber. Sollte es mich noch mal zum Achensee verschlagen, was ich sehr hoffe, schaue ich auf jeden Fall wieder vorbei. Und sei es nur für eine Himbeerbrause in der Schaffell-Liege auf der einladenden Sonnenterrasse. Obwohl, diese Stille am Abend, die lässt mich nicht los…
Weitere Eindrücke der Alm gibt es übrigens in unserem Achensee-Video. Vielen Dank für die Einladung in die Berge an Tirol Werbung, Achensee Tourismus und natürlich an die Familie Moser. Die Übernachtung geht auf deren Kappe, die Begeisterung ist allein auf meinem Mist gewachsen ;)!
Hätte ich nur mal gewusst, welchen Gefühlswelten wir dich mit der Zusendung des Programms aussetzen 😉 Aber umso mehr freut es mich, dass es dir schlussendlich so gut gefallen hat!
Ich sehe so etwas in der Regel als persönliche Herausforderung. Und bisher habe ich daraus immer gelernt: Nämlich dass ich Unrecht hatte ;)! In diesem Sinne: Danke <3
Bei Stille muss ich nach wie vor an Irland denken. Ist das nicht verrückt? Da ist man hier totales Stadtkind und hockt dann da und hört… nix. Gar nichts. Ich war hin und weg!!
Und das mit den Mehrbettzimmern oder auch nur Doppelzimmer mit Freunden – womöglich noch mit Doppelbett – geh wech! Nicht mit mir. Bin da ganz bei dir: her mit den Einzelzimmern.
Darüber hinaus: wundervoll siehts da auch. Was für eine grandiose Landschaft. Ich weiß immer nicht, ob ich Sissi und ihren Kaiser oder Heidi um die Ecke kommen sehe vor meinem geistigen Auge 🙂
Ich bin ja sehr beruhigt, dass ich scheinbar nicht als Einzige einen Hau weg habe und Non-Gruppen-Übernachtungs-Kompatibel daherkomme ;)! Und ansonsten: Ganz eindeutig Heidi!
das klingt echt nach einen tollen ausflug ich habe mir das gleich mal gemerkt, villeicht kann es meinen Freund und mich ja auch noch vom wandern überzeugen
Wenn nicht, ist was mit Euch kaputt, echt wahr ;)!
Hahahahaaaa….das Bild mit der Schweinenase ist ja der Oberknaller ;-DDD. Ich werf mich wech. Ach du. Und lass und das mal gemeinsam ausdikutieren mit den Gemeinschaftsduschen und den Mehrbettzimmern. Ich bin da ja auch kein riesen Fan von, auch wenn ich sagen muss, dass unsere letzte Reise in ein eifeler Mehrbettzimmer mit schlafen in der Reihe gar nicht so übel war. Vielleicht sind wir einfach zu alt für sowas. So grundsätzlich. Oder zu verwöhnt. Oder verklemmt und spießig. Egal. Solangmaglücklischsind ;-D! Schwester im Geiste du!
Ich LIEBE Schweine. Und am allermeisten an Schweinen liebe ich Schweinenasen ;)! Entzückend, oder?! Und Spießer-High-Five. Wir sollten uns für die Blogst einen extra Spießer-Handschlag überlegen :D!
Ähm…ja….ähm……äähhhhh……was machen wir??? Son Chaka mit Schweinesound ;-D……schnorchel. Ich üb schon mal. Hoffentlich hab ichs auf der Blogst nicht schon wieder vergessen. Ich werd ja nicht wissen wohin ich zuerst gucken soll…..all diese Blogger….wohooo……ich werd mich fühlen wie ein Kleinkind im Spielzeugladen! Aber wenn du mich anschorchelst, fällts mir schon wieder ein…..hahaha…..ist dann nur die Frage, was die anderen so denken ;-DDDD…….sehrsehrgeil ;-DDDD!
Hahahhaha…..ich hab grad nochmal drüber nachgedacht…..erkennst du mich überhaupt? Was ist wenn du wildfremde Menschen anschnorchelst im Glauben ich wär das jetzt……..hahahahahah……neinnein. Frollein Feesche……sie werden mich einfach am zurückschnorcheln erkennen müssen. MIR IST NICHTS PEINLICH ;-D!
OINK OINK, mir auch nicht, wie du siehst ;)!
Gruppenschlafzimmer a la Jugendherberge sind auch nicht mein Favorit. Aber ich könnte mich wohl überwinden, wenn ich die anderen Gäste kenne. Bei Fremden könnte ich das noch weniger.
Die Bilder sind schon so phänomenal, dass ich am liebsten sofort auf die Alm wandern wollen würde, um es live zu sehen <3 So eine Stille ist schon toll, das findet man hier im Pott einfach nicht. Als wir damals in Südengland auf Hochzeistreise waren, konnte ich die ersten Nächte kaum schlafen, weil es super still und stockdunkel war. Keine Straßenbeleuchtung, kein Straßenlärm. Ein bisschen gruselig. Aber der Uhu hat es mit seinem Ruf damals wieder rausgehauen ;o)
Diese Alm ist für einen Urlaub vorgemerkt.
Liebe Grüße, Carmen
Der Achensee lohnt sich überhaupt, wie du vielleicht schon bei den anderen Posts gesehen hast. Und wenn es nur ein paar Tage sind, da schafft man schon echt viel. Und eine Nacht auf der Alm ist dann ein Muss ;)!
Von den Kühen auf der Dalfaz-Alm bin ich als acht-jährige mal vollgekackt worden. Ich stand einfach zu nah an der Stalltür und das spritzt extrem! Das Foto auf deinem Vordergrund-Hintergrund-Post habe ich sofort erkannt! Jedes Jahr führt uns ein Ausflug dorthin – seit ca 40 Jahren! Meine Oma stammt von da…!
Gros bisou
Sandra
Jetzt musste ich ja doch lachen. Obwohl das mit Sicherheit traumatisch war :D! Und wie schön, dass Ihr immer noch vorbeischaut. Ich komme sicher auch irgendwann mal wieder…
G'schtunken hats halt… !
😉
Ist immer wieder einen schönen Ausflug wert. Von dort aus hinauf zum Steinernen Tor ist auch eine wunderbare Wanderung. Dort habe ich mit Sohnemann mal eine ganze Murmeltierfamilie beobachten können!
Ja, das steht fürs nächste Mal defintiv auf dem Programm! Aber was die Murmeltiere angeht, verlasse ich mich jetzt auf dich ;)!