Da soll noch mal einer sagen, das Internet sei zu nichts nütze. Das Internet ist sogar zu ziemlich viel zu gebrauchen. Unter anderem ist es der beste Reiseführer. Und das sowohl bei der Inspiration, bei der Planung als auch bei der Umsetzung. Und wenn man nicht verreisen kann, ist es zumindest ein schönes Bilderbuch, dieses Internet. Und ich kann Euch diese Theorie auch beweisen.
Am Anfang einer Reise steht ja immer die Frage „Wohin?“. Und manchmal beantwortet sich diese Frage bereits, ohne dass man initial vorhatte wegzufahren. So ging es mir mit Warnemünde. Immer mal wieder begegneten mir auf meinen Streifzügen durch die große weite Welt von Instagram Bilder des Küstenortes an der Ostsee. Vor allem Bilder des Leuchtturms. Eines ausgesprochen hübschen Leuchtturms. Und wer mich kennt, der weiß: „Es hat einen Leuchtturm? Ich will da hin!“
Also beschlossen wir letzten Juli relativ spontan, dass unser Sommerurlaub in Deutschland stattfinden würde, unter anderem mit einem Trip nach Warnemünde. Oder sagen wir: Ich beschloss das. Natürlich nicht, ohne vorher die allwissende Gottheit Google befragt zu haben. Die mir romantisch beleuchtete Ansichten von Warnemünde bei Nacht, blaues Meer, weite Strände, glückliche Menschen, Segelboote, Kutter und den Leuchtturm aus jeder erdenklichen Perspektive ausspuckte. Und das Beste: Neben dem Leuchtturm fand ich auch noch unzählige Ansichten zweier überaus entzückender Molentürme. Von denen ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass es Molentürme sind. Ich (als alter Binnenländer) dachte doch echt: „Geil, die haben da sogar drei Leuchttürme.“ Und wer braucht schon tiefergehende Informationen über ein Reiseziel, wenn er weiß, dass es drei Leuchttürme hat? Eben. Also teilte ich dem Freund diese Erkenntnis und die damit einhergehende zwingende Reiseplanung mit. Der das zum Glück auch für eine gute Idee hielt.
In Warnemünde angekommen warfen wir einen kurzen Blick auf den Strand und beschlossen: Zu voll. Viele von Euch werden jetzt wahrscheinlich laut lachen, denn das was ich hier als zu voll tituliere ist an vielen touristischen Küstenorten gerade zur Hochsaison „as entspannt as it can get“. Für mich war das jedoch schon das Höchste der Legebatterie-Gefühle. Also weiter zu den Molentürmen. Wegen denen wir ja auch schließlich hier waren. Zumindest unter anderem. An dieser Stelle sei übrigens kurz eindrucksvoll die Wirkungsmacht eines Zoom-Objektivs demonstriert. Einmal Möwe an Molenturm und einmal Fee an Molenturm. Man beachte die Größenverhältnisse. Gleicher Molenturm, gleiche Entfernung. Andere Zoomstufe. Und ich bin echt nicht groß. Auch wenn dieser Blog dem durchschnittlichen Leser scheinbar immer wieder etwas anderes suggeriert.
Nach dem Spaziergang zu den Molentürmen war es am Strand immer noch voll (Überraschung!) und außerdem hatte Petrus kurzfristig beschlossen, einen sexy grauen Filter über den Himmel zu legen. Groß rumlaufen wollten wir aber auch nicht (aaaaanstrengend!) und so entschieden wir uns für eine Hafenrundfahrt. Die geht immer und überall. Man sieht zwar immer und überall die gleichen Kräne, die gleichen fetten Kreuzfahrtpötte und die gleichen, wenig bekleideten, stark behaarten Hafenarbeiter (Klischeeeee), aber das ist trotzdem immer nett. Wo sonst hat man außerdem die einzigartige Möglichkeit sich die Hälfte seiner 0,33l Cola für 4,80€ ohne größere Mühen übers Kleid zu kippen? Eben. Macht aber auch nichts. Kann man ja mit der Serviette, die mit der 3,50€ Bockwurst kommt, wieder abwischen. Und nur falls jetzt jemand dran zweifelt: Ich stehe wirklich auf Hafenrundfahrten. Es darf nur nicht zu sehr schaukeln. Aber zumindest an diesem schönen, grauen Nachmittag Ende Juli 2014 glich Warnemünde einer Badewanne. Nur der Schaum fehlte.
Und weil rumsitzen und aufs Wasser starren unglaublich kräftezehrend ist, stand im Anschluss erst mal „Essen fassen“ auf dem Programm. Entlang des „Alten Stroms“, der früher die Zufahrt zum Rostocker Hafen war, heute aber eher so etwas wie die Flaniermeile Warnemündes mit Fischmarkt, Restaurants, Cafés und Boutiquen darstellt, hat man die Qual der Wahl, ob man Backfisch, Rollmops, Bückling oder Kibbelinge eher von Kutter Eins, Zwei, Drei, Vier oder Fünf konsumiert. Oder sagen wir besser: Plant zu konsumieren. Denn der Hafen ist in fester Hand einer umfangreichen Gang von dreisten Räubern, die einem das Essen direkt aus der Hand klaut: Möwen.
Ich war ungefähr für dreißig Sekunden im Besitz einer heiß duftenden, fettig triefenden Schale goldglänzender Kibbelinge. Weitere zehn Sekunden später war von dieser Schale nichts mehr übrig. Wenn Ihr jemals Hitchcocks „Die Vögel“ gesehen habt, bekommt Ihr eine annähernde Vorstellung davon, welch apokalyptische Szenen sich in der Zwischenzeit abspielten. Ich beging den Kapitalfehler, meine schützende Hand für den Bruchteil einer Sekunde aus der Nahkampfzone direkt über dem Fisch zu entfernen, um meine Kamera in die Tasche zu stecken. Urplötzlich war ich umringt von einer wild flügelschlagenden und kreischenden Horde gefiederter Unholde, die mit ihren spitzen Schnäbeln auf mein Mittagessen einhämmerten. Und ich mittendrin. Kurzfristig spielte ich noch mit dem Gedanken, den Kampf aufzunehmen und die Möwen zu verjagen, aber da rissen auch schon der Freund und zwei andere Zeugen des Verbrechens von hinten an meiner Schulter, um mich vor mir selbst und dem sicheren Tod durch „Zerhacken“ zu retten.
Merke: Der Fisch hier schmeckt köstlich, hat aber nur eine kurze Halbwertszeit, wenn man nicht mit Argusaugen über ihn wacht. Stellt ihn niemals nie auch nur für eine Sekunde ab, habt immer eine Hand darüber und schirmt ihn am besten noch mit Eurem Körper ab. Stellt Euch vielleicht an eine Wand, wo ihr nicht total exponiert erreichbar seid. Und wenn Ihr mit Kindern unterwegs seid: Füttert sie. Gebt Ihnen das Brötchen oder die Schale nicht in die Hand. Sie sind leichte Opfer. So wie ich ;)!
Auf den Schock gab es erst mal ein Eis. Mit dem wir dann durch die netten Gässchen hinter der Promenade bummelten. Von denen ich keine Fotos gemacht habe, weil: Eis in der Hand. Und immer noch möwentraumatisiert. Dieser Zustand wird vermutlich auch noch lange anhalten. Als Fotomotiv finde ich die Viecher immer noch schick, aber bitte aus sicherem Abstand.
Wie auch immer. Wir bummelten rum. Und kamen endlich zu „the one and only reason for this little Deutschlandtrip“: dem Warnemünder Leuchtturm. Isser nich ein Prachtexemplar von einem Leuchtturm? Und direkt daneben: der „Teepott“. Entworfen von Architekt Ulrich Müther in den 1960er Jahren ist das Ding laut Wikipedia „prominentes Beispiel für die Hyparschalenarchitektur“. Wisst Ihr Bescheid. Oder auch nicht. Treffender finde ich da schon die Beschreibung, die ich hier gefunden habe: „ähnelt aufgrund seiner ungewöhnlichen Dachform einem flügelschlagenden Riesenrochen“. Wie auch immer. Gemeinsam sind sie schon ein schickes Duo, der Leuchtturm und der Teepott. Und wenn Petrus dann auch noch im Pantone-Fächer wühlt und statt „Silver Cloud 15-4502“ die Farbe „Regatta 18-4039“ auspackt, ist der Urlaubstag gerettet.
Anschließend war uns dann aber doch noch nach Strand. Immerhin: Blauer Himmel und so. Und außerdem hatte ich zu diesem Zeitpunkt seit ungelogen neun Jahren nicht mehr am Strand gelegen. Ich war mal zwischenzeitlich mal mit Winterjacke und gefütterten Schuhen einen Strand entlang gelaufen, aber dass ich ein Handtuch ausgebreitet und mich darauf gelegt hätte: Das letzte Mal 2005. Und damit wären wir dann auch wieder bei der „das Internet und seine „Bewohner“ sind der beste Reiseführer“-Theorie, denn die liebe Nähmarie schickte uns per Instagram über den „Strom“ nach Markgrafenheide. Mit dem Auto kann man per Fähre übersetzen und ist wenige Kilometer später an einem (am frühen Abend) fast menschenleeren, wunderschönen Strand. Ein, zwei andere Besucher packen hier vielleicht ihre Brüste und Genitalien aus, damit muss man eventuell klarkommen, aber, hey, andere Leute bezahlen für so ein Vergnügen. Ich für meinen Teil war völlig glücklich damit, meine Zehen ins Wasser zu stecken und mit Sand in der Unterwäsche wieder nach Hause zu fahren, der Freund hingegen gab sich das volle Programm mit Wasser und Jesuspose und Aida-Taufe.
Und nachdem die Sonne schließlich so malerisch wie noch was im Meer versunken war, fuhren wir zurück zum Strom, um den Anglern während der blauen Stunde am roten Leuchtfeuer (aka Molenturm) Gesellschaft zu leisten. Mal ehrlich: Mehr Urlaubs-Romantik-Klischee geht nicht, oder? Also: Das mit dem Internet-Bilderbuch hätten wir dann auch erledigt. Bester Sommertag ever.
Einziger Haken: Das mit dem Abendessen haben wir dadurch leider vercheckt. Der Plan, uns in der (natürlich von Nähmarie empfohlenen) DDR-historischen Broiler-Bar im Hotel Neptun ein gepflegtes Grillhähnchen zwischen die Kiemen zu schieben, scheiterte an der bereits deutlich fortgeschrittenen Stunde. Stattdessen musste dann auf dem Weg zurück nach Rostock gegen 23 Uhr ein mitten in der Industriegebiets-Pampa befindliches McDonalds herhalten. Naja, für Bilderbuch-Aufnahmen muss man Opfer bringen. Und als Blogger hat man schließlich Reiseführer-Verpflichtungen ;)!
Wunderschöne Fotos habt ihr da genacht. Ich mag Warnemünde sehr, habe es aber nur zu Ostern erlebt, ohne baden, aber auch voll. Auch voller Möven. Aber um diese Jahreszeit waren sie wohl noch nicht ganz so angriffslustig, denn ich hab meinen heißgeräucherten Lachs noch selbst essen dürfen.
Markgrafenheide ist wirklich ein schöner Strand und im Vergleich zu Warnemünde quasi leer. Da hab ich auch rumgelegen. 🙂
Herzlich, Katja
Sehr, sehr gut, liebe Fee!! Warnemünde ist mein absoluter All-Time-Favorite! <3 Ich hab erst am Freitag auch nen Post geschrieben, da wir am Montag auf Kurztrip da waren. (Falls Du mal schauen magst *hust* :-P)
Ich freu mich sehr, dass es Euch dort sooo gefallen hat!! 😀 Und die Möwen… Jaaa!! Das sind n paar Biester!! *grrr* Sowas von frech und respektlos!! 😛
Hab einen wundervollen Sonntag!
Liebe Grüße!
Sanni (c:
Sehr schöne Bilder auch bei dir. So ganz anders, aber gerade das finde ich spannend. Wie unterschiedlich man einen Ort wahrnimmt und transportiert :)!
Ja, Warne ist ein tolles Fleckchen Erde – der Held und ich haben dort nicht umsonst geheiratet 😉
Ich freue mich schon auf unseren Urlaub im Juli – und auf die Möwen. Ich liebe die Piraten der Lüfte (aber das hatte ich ja schon mal geschrieben ^^).
Danke für den sehr amüsanten Reisebericht und die wunderbaren Bilder! <3
LG, Consu
Oh wie schön: Meer + Horizont + evtl. ein paar Leuchtürme ergeben eine unschlagbare Kombi. Habe sofort Urlaubsbedarf bekommen.
Ich sage nur: Hachtz! Isses schööön!
Gruß aus dem Süden, ganz und gar mit ohne Meer,
Ursel
go, fee! todesmutig und trotzdem elegant 😉
schick, da muss ich mal hin 🙂
das haste aber schön geschrieben! jaaa, ist schon schön hier oben bei uns 🙂
kommste bestimmt mal wieder, oder?
liebe grüße
einchen
Bestimmt, wenn es sich mal einrichten lässt. Es gibt noch so viel in der Ecke, was ich nicht gesehen habe ;)!
Ich habe Tränen gelacht beim Lesen deines Berichtes. Vor zwei Jahren ist es mir in Warnemünde ähnlich ergangen, aber Möwen mögen auch Eis! Ich sehe mich noch mit offenem Mund, ausgestrecktem Arm und leerer Hand, weil eine Möwe im Sturzflug von hinten ankam und mein Eis geklaut hat, und das nicht am alten Strom sondern im Ort. Im letzten jahr war ich dann klüger und habe immer eine Hand schützend über mein Essen gehalten.
Ich freue mich dennoch auch wieder auf den Anblick von Möwen Anfang Juli in Warnemünde. Auch uns zieht es immer wieder dorthin.
Liebe Grüße aus Bielefeld
Birgit
Das mit dem Eis habe ich schon mal gehört. Da kann ich ja froh sein, dass mir wenigstens das erspart blieb ;)!