Wer uns kennt, der weiß, dass wir im Urlaub nicht zu den Menschen gehören, die mehrfach am gleichen Ort essen gehen. Ok, seien wir ehrlich, dem Freund würde das wahrscheinlich gar kein Problem bereiten, aber ich für meinen Teil gehöre ganz eindeutig zur Kategorie: Kenn ich jetzt, also her mit was Neuem. Schließlich will ich möglichst viel sehen, testen, ausprobieren. Gewohnheiten kann ich auch noch zu Hause entwickeln. Dass ich von meiner Seite aus vorschlage, dass wir eine Lokalität ein zweites Mal aufsuchen, ist daher derart außergewöhnlich, dass der Ort, der es geschafft hat, mich zurückkehren zu lassen, ganz dringend einen eigenen Blogpost verdient hat.
Nach einem langen dritten Tag in Barcelona, an dem wir zunächst die Sagrada Familia unsicher gemacht (hier und hier) und dann auch noch den Parc de la Ciutadella erlaufen haben, stolpern wir am frühen Abend von Osten aus mit leeren Bäuchen ins Viertel El Born. Die Restaurants, die uns im Reiseführer reizvoll erscheinen, haben entweder noch nicht geöffnet oder waren beim Erscheinen des nigelnagelneuen Reiseführers scheinbar noch so jung und hip, dass sie nur gefühlte drei Wochen durchgehalten haben und mittlerweile einem zwar coolen, aber leider nicht gastronomisch ambitionierten Pop-Up-Store Platz gemacht haben. Also müssen wir uns selbst etwas suchen. Und das läuft dann mit mir ungefähr so: Wir laufen an gefühlt mindestens dreißig in Frage kommenden Restaurants vorbei, bei denen mir entweder die Speisekarte, die Beleuchtung, der Geruch, die Klientel oder auch die Wandfarbe nicht gefällt, eventuell auch die Frisur der Bedienung. Irgendwas ist immer. Wäre ja auch sonst zu einfach…
Schließlich stehen wir an der Carrer dels Carders vor einem zunächst unscheinbar aussehenden Torbogen, der zu einem Hinterhof führt, aus dem uns spanisches Geplapper entgegenschlägt. Stünde da keine Tafel, wir kämen gar nicht auf die Idee, es würde sich hier um ein öffentlich zugängliches Lokal handeln. So skeptisch ich bei allen vorherigen Alternativen reagiert habe, so überzeugt bin ich hier auf den ersten Blick: Deko und Mobiliar sind eine Mischung aus Flohmarkt und hippem Vintage-Store. Unter freiem Himmel, nur geschützt von ein paar wehenden Segeln über den Köpfen der Gäste sitzen hier so gut wie ausschließlich Einheimische auf bunt zusammengewürfelten Metallstühlen und sehen dabei sehr entspannt und glücklich aus. Es ist mir tatsächlich fast völlig egal, was es hier zu essen gibt (und DAS will etwas heißen), hier will ich bleiben.
Die Karte ist zwar klein, aber mit unseren zwei Varianten „Cocas“, belegten Teigfladen mit reichlich Öl obendrauf, den Oliven und dem besten Brot der ganzen Welt sind wir mehr als glücklich. Außerdem bin ich so verliebt in meinen Hibiskus-Eistee, dass ich spontan beschließe, nie wieder etwas anderes trinken zu wollen. Als es dunkel wird, werden auf den Tischen Kerzen angezündet, die es noch gemütlicher machen als ohnehin schon und die einem das Gefühl geben, bei Freunden zuhause zum Essen eingeladen zu sein, statt in einem Restaurant zu sitzen.
Trotz quasi nonexistenter Spanischkentnisse bekommen wir irgendwann spitz, dass das „Espai Mescladís“ etwas Besonderes ist und das abseits von der tollen Atmosphäre. Als ich dem Kellner erzähle, dass ich gerne auf meinem Blog über den Laden schreiben würde und ob es daher ok wäre, wenn ich Fotos mache, schleppt er mich direkt zum Chef. Und zwar nicht, damit ich über meine Rechte und Pflichten aufgeklärt werde, sondern damit der mir erzählen kann, worum es hier eigentlich geht: Nämlich um viel mehr, als ein paar hungrige Mäuler zu stopfen.
Die Bar bzw. das Restaurant wird geführt von Mescladis.org, einer sozialen Non-Profit-Organisation, die sich hauptsächlich der Integration von Zuwanderern und der Förderung des multikulturellen Miteinanders verschrieben hat. So sind zum Beispiel fast alle Angestellten hier (wenn ich das richtig verstanden habe auch teils illegale) Zuwanderer, die ohne den Job wieder zurück in ihre Heimatländer müssten. Neben diesen Verdienst- und damit Bleibemöglichkeiten bietet der Verein Freizeit- und Vernetzungsaktivitäten, besonders auch für Kinder und Senioren, und organisiert zum Beispiel für Neuankömmlinge Paten im fortgeschrittenen Alter, die schon lange in Spanien leben, aber ursprünglich aus demselben Land kommen wie ihr Schützling. Wer Spanisch spricht, findet auf der Website der Organisation sicher noch viel ausführlichere Informationen.
Übrigens sind die verwendeten Produkte hier wenn möglich alle aus regionalem Bioanbau. Es lohnt sich also gleich dreifach hier vorbeizuschauen: Erstens weil man eine gute Sache unterstützt, zweitens weil man hier gutes Essen bekommt und drittens weil die Atmosphäre einfach unschlagbar ist. Sollte es mich noch mal nach Barcelona verschlagen (toi toi toi), würde ich auf jeden Fall wieder im „Espai Mescladís“ vorbeischauen. Genau wie wir es am letzten Tag unseres Aufenthalts auch noch mal gemacht haben. Und Ihr solltet das ebenfalls tun, wenn Ihr mal dort seid. Versprochen?
Wir überlegen, im September vielleicht eine Woche Urlaub in Barcelona zu machen. Wenn es soweit kommen sollte, werde ich dieser netten Lokalität einfach einen Besuch abstatten müssen! Am besten, ich zeige meinem Herrn Lieblingsfreund gleich noch deine schönen Bilder um ihn restlos von Barcelona zu überzeugen 😉
das sieht wirklich sehr hübsch aus. Abgespeichert!
lol, das kommt mir sehr bekannt vor mit der schwierigen Restaurant-Wahl… Auf die Details kommt es an! Und Energiesparlampenlicht geht gar nicht. Schönes Lokal, schöne Bilder, ich will nach Barcelonaaa! 🙂
Seit ich wieder Fleisch esse, fällt uns die Restaurantwahl im Urlaub doch wesentlich leichter… Deine Empfehlung habe ich gleich mal an eine Freundin in Barca weitergereicht, die wir in diesem Leben hoffentlich noch besuchen werden. LG Rebekka
Das passt ja ganz genial. Nächste Woche Freitag geht's mit dem Womo nach Barcelona. Der Tipp ist notiert. Vielen lieben Dank für's Teilen.
Liebe Grüße
Birgit